„Wir sind für Hamburg die richtige Messe zum richtigen Zeitpunkt.“
Oktober 2014
Oliver Lähndorf
Direktor Affordable Art Fair Hamburg
Eine Kunstmesse in Hamburg zu etablieren, das hat in Hamburg seit 25 Jahren niemand mehr geschafft. Lieber Oliver Lähndorf, warum glauben Sie an den Standort Hamburg?
Hamburg ist ein guter Standort, weil wir großartige Galeristen haben, tolle Künstler und unglaublich viele Besucher, die sich für Kunst interessieren – und, wie sich bestätigt hat im Jahr eins und zwei der Messe, auch Kunst kaufen! Wir wurden davon selbst überrascht. Das haben uns nicht viele zugetraut, dass wir so viele Hamburger zur Messe locken, die auch kaufen. Damit haben wir die wichtigsten Zutaten für eine erfolgreiche Messe. Und darum ist Hamburg eine sehr, sehr gute Stadt für uns.
Was unterscheidet den Standort von anderen?
Der Unterschied zum Beispiel zu Berlin ist, dass hier die Einkommensstruktur besser ist. Dem steht gegenüber, dass der Kunstmarkt hier in den letzten Jahren schlecht dasteht und es den meisten Galerien wirtschaftlich nicht gut geht. Ich will nicht sagen, dass die Berliner Galerien besser dastehen. Aber bei einer reichen Stadt wie Hamburg fragt man sich schon, warum wir nur um die 50 Galerien haben. Wir wollen mit der Affordable Art Fair (AAF) dazu beitragen, den Standort zu entwickeln und sind auf einem guten Weg.
Warum ist Ihnen der Standort so wichtig?
Ich liebe Hamburg, ich liebe den Norden. Ich bin lange in Amerika, England, München, Stuttgart gewesen. Aber Hamburg ist meine Heimat. Aus eigenem Interesse versuche ich nun Hamburg ein bisschen interessanter zu machen. Wir, die AAF, sind eine Veranstaltung, auf der man alle antreffen kann: Pfeffersäcke, Leute aus der Schanze, die Szene, Kunstinteressierte. Gerade diese Mischung hat mir in Hamburg gefehlt.
Diese Mischung ist auch Teil Ihres Messekonzeptes.
Ja. Die erste AAF-Messe, die ich selbst besucht habe, war die in Amsterdam. Dort überwiegt „Multikulti“, ein sehr gemischtes Publikum. Ich war dort 2011, als Will Ramsay, der Gründer der AAF, mich gefragt hatte, ob ich die Messedirektion für Deutschland übernehme. Ich musste mir erstmal ein Bild machen: Hipster, Leute mit Geld, Hunde, Familien, Kinder – eine richtig schöne Vielfalt, die ich bis dato in Hamburg auf einer Veranstaltung vermisst habe. Das müsste doch in Hamburg auch gehen, dachte ich mir. Deswegen habe ich damals mutig zugesagt, für Will Ramsay den deutschen Standort aufzubauen.
Laden Sie auch Unternehmen zur Messe ein und wie tun Sie das?
Tatsächlich haben wir ein umfangreiches Netzwerk. Wir nennen diese Strategie auf Englisch „Be more Grassroots“: ein Marketingbegriff, der beschreibt, wie man in Kanäle hinein kommt, in denen man eigentlich nicht drin ist. Wir kontakten Unternehmen, laden sie ein, schicken ihnen Karten. Wir machen zum Beispiel mit Ernst & Young eine Preview. Fast ein Fünftel unserer Marketingaktivität steuern wir in Richtung Unternehmen, denn es wird für uns immer wichtiger, dass wir zum Beispiel Architekten, Innenarchitekten, Designer auf der Messe haben. Von der AAF in New York habe ich gehört, dass die Architekten im ersten Jahr ein Werk gekauft haben, mittlerweile kaufen sie 20 und statten damit ganze Häuser, ganze Unternehmen aus. Ein sehr kommerzieller Bereich. Aber wenn es den Galeristen hilft, freue ich mich für jeden, der auf einen Streich 20 Arbeiten verkauft.
Wie haben Sie es geschafft, auch 2013, im zweiten Jahr der Hamburger AAF, diese enorm hohen Besucherzahlen zu erreichen, ja, noch zu steigern zum Vorjahr?
Wir hatten im ersten Jahr 2012 für Hamburg mutige 9.000 Leute anvisiert – es kamen 13.500.
Ohnehin der beste Länderstart aller Affordable Art Fairs weltweit...
Genau. Wir hatten Zweifel, ob man im zweiten Jahr noch einen drauflegen kann. Deswegen waren wir sehr engagiert und haben viel Werbung gemacht. Ich habe jahrelang im Marketingbereich gearbeitet und kenne mich gut aus mit Werbung, bin sogar in Person unser kreativer Marketingkopf zusammen mit unserer Agentur. Wir wurden mit knapp 16.500 Besuchern im zweiten Jahr positiv überrascht. Auch die Verkäufe waren wesentlich höher, um fast 50 Prozent.
Sie haben jedes Jahr das Werbebudget erhöht?
Ja, wir passen das dem Jahr an und geben sehr viel Geld aus für Werbung. Die Messe hat erkannt, wie wichtig Werbung ist. Es bringt nichts, dass man eine schöne Veranstaltung hat, und keiner kommt. Eine Kunstveranstaltung muss man vermarkten, das ist das Geheimnis. Wie es so ist: Wenn jemand negativ über ein Produkt oder eine Messe spricht, dann erzählt er es sieben anderen, ist er positiv eingenommen, kommt er wieder. Es ist viel Mundpropaganda.
Haben Sie eine bestimmte Besucherzahl anvisiert?
Wenn ich heute erzähle, dass ich für eine Kunstmesse arbeite, wissen die Menschen: Affordable Art Fair. Das hat sich in Hamburg in den vergangenen drei Jahren komplett geändert. Die Messe ist sehr präsent in der Stadt, wie das Filmfest. Ich habe zehn Jahre für das Filmfest Hamburg die Filmdisposition geleitet: dass wir irgendwann in drei, vier Jahren so eine Institution sind wie das Filmfest, dass wir nicht mehr aus dem Kalender wegzudenken sind und die Leute uns kennen – das ist mein Ziel. Mit 20.000 Besuchern sind wir gar nicht soweit davon entfernt. Das ist unsere Zielmarke.
2012 war das einzige, worüber die Hamburger leicht die Nase rümpften, das Wörtchen „affordable“ im Namen – glauben Sie, dass affordable letztlich doch zu Hamburg passt?
Affordable heißt erschwinglich. Das ist im Deutschen ein bisschen schwierig. Das ist die Marke. Klar, in der Kunstszene streiten sich die Geister. Dennoch glaube ich, dass es für Hamburg genau die richtige Messe zum richtigen Zeitpunkt war. Ich hatte vor Jahren schon überlegt, eine „Art Hamburg“ zu machen, nachdem ich die Photo.Artbook bereits gemacht hatte. Aber man muss ehrlich sagen, der Standort war noch nicht reif für eine Messe im Stile der Art Cologne.
Wieso glauben Sie, dass das Konzept Affordable Art für Hamburg genau richtig war?
Es ist in dieser Stadt sehr schwierig, Kunst zu verkaufen, die eine Million Euro kostet. Dafür gehen die Leute nach Basel oder nach Köln. Der Standort ist noch nicht so weit. Ich will nicht sagen, dass das nicht irgendwann mal so sein kann, aber es braucht noch eine Menge Bestrebungen wie die unsere oder die der P/ART.
Sehen Sie Ihre Arbeit also als solide Basisarbeit?
Ja. Kritiker unterschätzen die Bedeutung. Die AAF hat eine Vermittlungsfunktion. Wir führen neue Leute und speziell Leute, die der Kunstszene ein bisschen abhanden gekommen sind, neu oder wieder an die Kunstszene und die Galerien heran. Nur so kann sich ein Standort entwickeln. Was helfen uns die besten elitären Veranstaltungen, wenn nicht mehr Leute kommen.
Also ist bei den Leuten Ihr Konzept – auch des lockeren Vermittelns – in der Stadt angekommen?
Genau. Klar, es ist eine englische Marke und deswegen haben wir den Namen mitgenommen. Im ersten Jahr wurde ich darauf oft angesprochen, im Jahr drei ist das Wort affordable eigentlich kein Thema mehr. Für die Leute ist das eine Marke, die jetzt in Hamburg angekommen ist. Dahinter steht ein Konzept, weniger dieser Begriff affordable oder das deutsche Wort erschwinglich.
Was umfasst affordable art?
Kunst, die man sich leisten und ohne Berührungsängste kaufen kann.
Was ist der künstlerische Anspruch Ihrer Messe?
Wir versuchen jedes Jahr die Qualität zu verbessern, das hat man im Jahr zwei bereits gesehen. Im ersten Jahr hätten wir gern mehr Bewerbungen gehabt, es war damals sehr schwer, Galerien aus dem Ausland und aus dem gesamten Bundesgebiet hierher zu locken. Und auch im dritten Jahr konnten wir jetzt immerhin aus 150 Bewerbungen 75 auswählen. Wir präsentieren den Hamburgern das Beste, was sich beworben hat. Wenn irgendwann 300 Bewerbungen eingehen, geht das noch besser.
Welche Galerien fallen beim Thema affordable art durchs Raster und passen nicht zu Ihnen?
Galerien, die Kunst ab 50.000 Euro aufwärts haben. Es gibt Galerien, die eben nicht in das Preisgefüge bis 7.500 Euro passen. Für die ist es auch nicht die richtige Messe. Das Kriterium selektiert. Qualitativ gibt es für mich natürlich kein Limit.
Begünstigt das Messekonzept Galerien mit einem Programm, das auf schnellen Abverkauf setzt, also leicht zugängliche Kunst zeigt?
Wir versuchen dem entgegen zu wirken, da wir keine Messe haben wollen, die zu dekorativ ist. Wir sind jedoch nur so gut wie die sich bewerbenden Galerien sind. Dabei sind wir auch mit dem schwierigen, schwachen Kunststandort Hamburg konfrontiert. Unser Komitee achtet streng darauf, dass tendenziell dekorative Positionen herausfliegen. Unser Anspruch ist, eine qualitätsvolle Messe zu sein. Dieses Jahr wird man das deutlich merken. Wir haben uns von vielen Positionen aus dem Jahr eins und zwei verabschiedet. Das war nicht einfach, einige Galerien waren enttäuscht bis böse. Auch das gehört zu einer Messe dazu und zu meiner Vision der Entwicklung des Kunststandortes Hamburg.
Wer ist Ihr Publikum?
Wir haben etablierte Kunstsammler wie F.C. Gundlach und viele andere Kunstsammler, die sich bestens auskennen, daneben sehr viele Kunstinteressierte. Wir spinnen Netzwerke, zum Beispiel zu den Freunden der Kunsthalle und viele mehr.
Es kommen also nicht nur Leute zum Kaufen, sondern auch einfach nur zum Schauen, so ein leicht museales Publikum?
Museal ist übertrieben, aber ich gehe stark davon aus. Das sehen wir auch an unseren Umfragen. Diese Leute sind auf jeden Fall dabei. Das erklärt auch, warum wir im letzten Jahr vier Führungen mit den Freunden der Kunsthalle hatten.
Wie kriegt man die Kurve, dass die auch kaufen?
Das liegt dann an den Galerien. Wir machen die Werbung, dass die Besucher kommen. Die Fertigkeit, Kunst auch zu verkaufen, zu vermitteln, liegt bei den Galerien. Da können wir dann nichts mehr machen. Wir können nur eine perfekte Werbung und den Laden voll machen.
Warum sollen denn Menschen Kunst kaufen?
Es ist toll, ein Werk in der Wohnung zu haben. Es bereichert das Leben. Man geht immer wieder dran vorbei und freut sich jeden Tag über den Kauf, ist so ein bisschen verliebt in das Kunstwerk. Ich habe jahrelang Fotografie gesammelt und habe plötzlich auch selbst den Zugang zu anderen Sparten der zeitgenössischen Kunst gefunden und sammele jetzt Kunst. Ein sehr schönes Gefühl, kann ich nur jedem raten und empfehlen.
Interview: Angela Holzhauer
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