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Susanne Tiedemann

„Systemische Beratung bedeutet offen sein für Perspektivwechsel – Kunst kann dafür hervorragend wirken.“

Oktober 2020

Susanne Tiedemann

Regionalleiterin Nord, Fürstenberg Institut

Welche Berührungspunkte gibt es oder gab es bislang zwischen Ihrem Unternehmen und Kunst und Kultur?

Schon bei der Einrichtung des ersten Instituts vor ungefähr 30 Jahren war Kunst ein wichtiger Bestandteil. Damals stattete der Künstler Pellegrino Ritter aus Münster das erste Institut unter anderem mit seinen Werken aus dem Flaggen-Alphabet aus und nach und nach wurde diese Kunstlinie für jedes weitere Institut, das neu entstand, übernommen. Wesentlich dafür ist das Kunstinteresse der Institutsgründer, Reinhild und Werner Fürstenberg. So zieht sich die Kunst wie „ein roter Faden“ durch das Institut.

Sie stellen im Rahmen von add art zwei junge Künstlerinnen aus. Gibt es bestimmte Erwartungen, die Sie damit verknüpfen?

In erster Linie möchten wir gern Verbindungen schaffen – zwischen Künstlern und Besuchern. Gleichzeitig ist es uns ein Anliegen, ein Zeichen dafür zu setzen, gerade in diesen herausfordernden Zeiten, in denen wir derzeit unterwegs sind, nach wie vor die Türen für die Kunst zu öffnen. Denn was wäre ein Leben ohne Kunst? Unvorstellbar! Alles unter Berücksichtigung der geltenden Sicherheits- und Hygienerichtlinien, versteht sich.

Was war Ihnen bei der Auswahl der künstlerischen Positionen besonders wichtig?

Wir haben uns für zwei Künstlerinnen entschieden, die einen ganz speziellen Blick auf Menschen ausdrücken. Nicht nur in der Darstellung, auch in der Interpretation ihres Innenlebens. In der Betrachtung der Bilder erhoffen wir uns einen Dialog – mit sich selbst und natürlich auch mit anderen Besuchern in unserem Institut.

Sie bieten Beratungstätigkeit an und haben es sich zum Ziel gesetzt, Menschen insbesondere in psychologischer Hinsicht zu stärken. Glauben Sie, dass die Kunst in Ihren Räumen hier positiv wirken kann?

Wir wissen, dass eine schöne Umgebung, die uns auch etwas über sich erzählt, positive Auswirkungen auf die Menschen hat, die uns besuchen. Wir wollen, dass man uns gerne und nicht durch die Hintertür besucht. Unsere hohen Räume und die Struktur der alten Gemäuer bieten den Rahmen, um die Bilder auszustellen – die Besucher verschaffen ihnen durch die Betrachtung neues Leben.

Gibt es in Ihrem beruflichen Alltag Momente, in denen besondere Kreativität oder andere Herangehensweisen als üblich gefragt sind? Wovon lassen Sie sich dabei leiten?

Die Beratung von Menschen ist ein sehr kreatives Tun: Sie können noch so viele Tools in Ihrem Beratungs-Methodenkoffer haben – jeder Mensch ist wiederum anders und reflektiert in anderer Form. Viele Berater haben eine Tafel im Raum, Figuren zum Visualisieren oder Stifte, um Empfundenes bildhaft zu machen. Die systemische Beratung arbeitet sehr viel mit Metaphern – da bietet sich kreatives Arbeiten an. Und nicht zufällig arbeiten bei uns sehr viele Berater/-innen, die neben dem Job bei uns Theater spielen, Bilder malen, im Chor singen oder schreiben.

Kann Kunst den Blick auf das eigene Tätigkeitsfeld verändern?

Claudia Mächler sagt zum Beispiel von sich, dass ihr Interesse nicht im reinen Abbilden liegen würde, sondern es ginge ihr um Störungen in der Wahrnehmung. Diese Herangehensweise spiegelt sich auch in der täglichen Arbeit unserer Berater/-innen wider. In den Gesprächen mit unseren Klienten verfolgen wir einen systemischen Ansatz. Dabei schauen wir also auch immer wieder hinter die Kulissen eines Beratungsfalles. Dies erfordert zweifelsohne die Offenheit für einen Perspektivwechsel – und Kunst kann dafür eine hervorragende Wirkung erzielen.

Was können Unternehmen von Künstlern lernen? Und was können Künstler von Unternehmen lernen?

Unternehmen benötigen gerade in hochverdichteten Zeiten die Möglichkeit, den Beschäftigten Freiraum zum kreativen Denken zu verschaffen. Das unternehmerische Denken in einem prozessgesteuerten Unternehmen besetzt den Freiraum zum kreativen Denken. Neue Arbeitsformen versuchen, diesen Widerspruch auszugleichen, mit agilen Methoden der Zusammenarbeit. Und natürlich stellen sich einige einen Kicker in den Raum oder halten die Besprechung auf dem Sofa ab. Kunstwerke fordern uns nochmal komplexer heraus und kurbeln das Gehirn auf andere Art an beziehungsweise bringen uns zum Innehalten.

Künstler/-innen können von Unternehmen lernen, sich dem Betrachter und Kritiker zu öffnen und in den Diskurs zu gehen. Vielleicht etwa jemanden einer ganz anderen Zielgruppe zu erreichen und zu berühren. Dort abzuholen, wo die Menschen sind. Ich fände es schade, wenn Kunst nur noch selbstreferentiell in Galerien und Museen diskutiert und bestaunt wird.

Inwieweit nehmen Sie sich persönlich hin und wieder Zeit für Kunst und Kultur?

Im Moment natürlich eingeschränkt, aber ich persönlich freue mich auf den nächsten Theaterabend oder ein schönes Konzert! Und irgendwann soll es dann auch wieder eine proppenvolle Lesung sein, mit vielen Menschen in dichtem Gedränge, das gehört auch einfach dazu.

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