„Mithilfe von Kunst, Kultur und Kreativität konnte ich aus einem traditionellen Betrieb ein modernes, offenes und vielfältiges Unternehmen machen.“
Oktober 2024
Hubert Neubacher
Inhaber Barkassen-Meyer
Du bist Inhaber eines Hamburger Traditionsunternehmens, die Barkassen spielten und spielen eine wichtige Rolle im Hamburger Hafen. Kam die Kunst durch Dich in das Unternehmen oder gab es schon vorher Berührungspunkte?
Kulturelle Fahrten auf der Elbe gab es auch schon bei meinen Vorgängern, jedoch in weitaus kleinerem Ausmaß. Ich konnte deshalb von Beginn an meine persönliche Leidenschaft zu Kunst, Kultur und vor allem meine Bewunderung für Kreativität im Allgemeinen ins Unternehmen einbringen. So war es mir möglich, in den vergangenen Jahren Hobby und Beruf intensiv zu verbinden und aus einem traditionellen Betrieb ein modernes, offenes und vielfältiges Unternehmen zu machen.
Wie entstand die Idee, Barkassen mit der Kunst zu verbinden, und Kunstbarkassen zu schaffen?
Das entstand 2010, als mich der Hamburger Künstler Frank Bürmann bei einer Kunstauktion der NCL-Stiftung fragte, ob er nicht einmal eine Barkasse bemalen dürfte. Die Idee fand ich sofort klasse und so haben wir noch im selben Jahr unsere Cabrio-Barkasse „Sanna“ von ihm künstlerisch gestalten lassen. Daraus entwickelte sich, dass wir zusammen mit Michael Fritz von Viva con Agua und der Millerntor Gallery unsere „Lütte Deern“ von der Berlinerin Julia Benz künstlerisch gestalten ließen. So waren letztendlich die „Kunstbarkassen“ und auch der Begriff „Bootisage“ – anstatt Schiffstaufe – geboren. Insgesamt sieben Barkassen wurden seither umgestaltet, manche bereits zum zweiten oder dritten Mal.
Warum passen Hafen und Kunst gut zusammen?
Im Hafen ist und war man aus meiner Sicht schon immer weltoffen und bunt. Hier treffen seit jeher Menschen aller Couleur aufeinander – siehe auch St.Pauli und die Reeperbahn. Der Umgang am Hafen miteinander ist meist geradeaus und direkt, das gefällt mir. Deshalb passt Kunst so gut in den Hafen – man ist hier einfach offen für so jemand „Ver-rücktes“ wie mich und geht teils sehr unaufgeregt damit um, was man so auf die Beine stellt. Entsprechend toll finde ich es, dass ich Kunst im öffentlichen Raum so gut sichtbar darstellen darf.
Wie bist Du vorgegangen bzw. wie gehst Du vor bei der Auswahl der Künstler?
Das ist sehr unterschiedlich. Bisher haben sich diese Entscheidungen immer aus den eigenen Netzwerken ergeben. Da es sich bei den meisten Projekten um Kooperationen mit befreundeten Hamburger Galerien wie Millerntor, Affenfaust oder Walentowski handelt, wurden mir die KünstlerInnen von deren Seite vorgeschlagen, und wir haben dann zusammen ausgesucht und entschieden. So bin ich u.a. auf Julia Benz aus Berlin, Björn Holzweg aus Hamburg und Doppeldenk aus Leipzig gestoßen. Und wie nun mal eins das andere nach sich zieht, hatte ich das große Glück, dass danach Udo Lindenberg unsere „Ennstal“ gestaltet hat und durch die Hamburger Kunsthalle 2023 der berühmte „Wanderer“ von Caspar David Friedrich bei uns an Bord ging. Letztendlich muss mir die Kunst aber gefallen und mich irgendwie berühren, damit sie bei mir eine Chance hat aufs Schiff zu kommen. Inzwischen erhalte ich aber tatsächlich auch Bewerbungen von Kunstschaffenden.
Wie reagieren Mitarbeiter und vor allem Kunden auf die Kunst in und an den Barkassen?
Das ist inzwischen meine größte Freude: Bei den ersten Barkassen spürte ich teilweise in meinem Team noch eine gewisse Skepsis bzw. hat man sich nicht zwingend dafür interessiert. Heute ist meine Crew durchaus stolz darauf, dass unsere Flotte etwas Besonderes ist und wir damit eine erfolgreiche Sichtbarkeit über Hamburgs Grenzen hinaus erreichen. Auch unsere Kunden finden die Schiffe toll und nutzen diese häufig als Fotomotiv, was in unserer heutigen Social-Media-Welt ja auch nicht verkehrt ist.
Worin liegt aus Deiner Sicht der Reiz, Kunst in den beruflichen Alltag zu integrieren?
Kunst und Kultur in seinen Alltag zu integrieren ist einfach eine große Bereicherung und hat etwas Verbindendes. Man setzt sich direkt oder indirekt mit der Sichtweise anderer Menschen auseinander, lernt etwas und denkt darüber nach, lässt es wirken. Bestenfalls bildet man sich daraus eine neue Meinung und öffnet seinen eigenen Blick für neue, andere Dinge. Und so sehe ich auch meine Tätigkeitsfelder. Es geht zwar nicht immer, aber wenn man dann doch mal für einen Moment innehält und über die Kunst reflektiert, kann man Vieles davon auch in den Beruf für sich und sein Umfeld einbauen.
Du hast eine eigene Kunstsammlung, die in Entenwerder verortet ist, und die Du exklusiv für add art zeigst. Wie bist Du zum Sammeln gekommen und was sind Deine Schwerpunkte?
Ich bin seit meiner Jugend gerne Fan und habe schon in Österreich gesammelt. Es fing mit Schallplatten und Autogrammen an, später in Hamburg wurden es Programmhefte, Kaffeebecher und T-Shirts von Pop-Konzerten. Und ich konnte mir irgendwann leisten bei Charity-Kunstauktionen mitzubieten und gehe bis heute gern in Galerien. Hinzukam dann die persönliche Bekanntschaft zu Künstlern aus verschiedensten Bereichen. Daraus ist eine bunte Sammlung mit einer Vielzahl an unterschiedlicher Kunst und schönen Dingen entstanden, die mich heute jeden Tag und überall umgibt.
Was braucht es, damit Du bei einem Kunstwerk oder einem Objekt zugreifst?
Es braucht den richtigen Moment, mit besonderen Menschen und ein Kunstwerk, das mich emotional erreicht. Ich bin seit 30 Jahren an sieben Tagen in der Woche quasi rund um die Uhr verfügbar, wenn es um meine Schiffe und die Firma geht. Deshalb lege ich großen Wert darauf, dass Kunst in mir etwas auslöst, mich für einen Moment mal aus dem Jetzt abholt und mich bestenfalls auch noch Jahre später an einen Zeitpunkt erinnert, wann, wo und warum ich des gekauft habe. Das klappt inzwischen zwar nicht mehr bei allen Bildern oder Objekten, aber ich weiß, dass ich sie aus den genannten Gründen erworben habe. Durch die Kunst entdecke ich durchaus auch häufig meinen eigenen Zugang zu meinen Emotionen.
Über die Hamburger Kunstszene heißt es ja häufig, dass sie im Schatten anderer Kunstorte in Deutschland steht. Wie ist Dein Blick auf die Hamburger Kunstszene, was wünschst Du Dir für den Kunststandort Hamburg?
Zur Hamburger Kunstszene kann ich tatsächlich wenig sagen, da ich hier meine eigenen Wege gehe. Ich möchte Kunst nach wie vor möglichst frei und unvoreingenommen erleben und konsumieren. So macht es mir am meisten Freude und ich bleibe autark. Ich wünsche mir, dass Hamburgs Kunst- und Kulturszene weiterhin das Traditionelle pflegt und neuer, junger Kunst eine Chance gibt. Manchmal hilft es einfach über den – oft großen – Tellerrand zu schauen. Ich darf das u.a. seit zwei Jahren auch ehrenamtlich im Vorstand des Bucerius Kunst Clubs, wofür ich sehr dankbar bin.
Welcher Künstler oder welches Kunstwerk inspiriert Dich persönlich ganz besonders, und warum?
Ich bin hier tatsächlich nicht festgelegt und da ich quasi aus der Pop-Art komme könnte ich nun Rizzi, Britto oder James Francis Gill nennen. Mich faszinieren aber auch Expressionisten, S/W-Fotokunst und Contemporary Art, die frisch und jung ist. Ich habe einige Lieblingsbilder wie zum Beispiel die Passerby-Serie des südkoreanischen Künstlers Jaeyeol Han oder ein wunderbares Bild von Herman van Veen. Ich mag den Engländer Rob Smales und Constance Renken aus Hamburg, die Liste ist lang. Es mag naiv klingen, aber bei vielen Kunstwerken, die mir gefallen, fasziniert mich alleine schon die Vorstellung, dass hier eine Künstlerin bzw. ein Künstler eine Idee hatte und diese entsprechend umgesetzt hat. Das finde ich großartig.
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