Magazin>
Stephan Schwarzl

„Der erste Schritt hin zu einer Sammlung sollte immer der Gedanke der Kulturförderung sein.“

Oktober 2024

Stephan Schwarzl

Gruppenleiter Kunstversicherung bei Helvetia Versicherungen Deutschland

Ihr tägliches Geschäft ist es, Kunst zu begutachten, zu bewerten und zu versichern – vor allem bei vermögenden Privatpersonen. Je hochwertiger die Kunst, desto mehr wird sie jedoch von außen abgeschottet, aus Angst vor Begehrlichkeiten. Macht gute Kunst einsam?

Im Gegenteil: Gute Kunst macht Freunde! Selbstverständlich muss Sorge für den Schutz getragen werden, aber Kunst ist für unsere Klientel eine wichtige Grundlage des gesellschaftlichen Lebens und Austausches. Wenn man diese mit Gleichgesinnten teilt, bleibt die Diskretion und damit die Sicherheit gewahrt.

Kunst ist per se ja etwas sehr Persönliches – weil jeder beim Kauf eines Werks eine bestimmte persönliche Motivation hat. Wie erleben Sie das: Können Sie anhand der Kunstsammlung – oder auch beim Gespräch über die Kunst – sehr schnell auf den Charakter des Sammlers oder der Sammlerin schließen?

Kunst ist der Spiegel der Persönlichkeit und des Lebens eines Sammlers oder einer Sammlerin. Wie diese jeweils charakterlich sind, kann man im Gespräch eventuell erahnen, aber eines ist sicher: Wo gesammelt wird, da lass´ Dich nieder, bösen Menschen ist die Kunst zuwider.

So wie Kunst einiges über die Privatperson aussagt, kann auch ein Unternehmen über Kunst eine Identität bilden und vermitteln. Die Herausforderung ist jedoch, dass es in Unternehmen häufig unterschiedliche Interessenlagen gibt, die Geschäftsleitung hält sich manchmal für nicht kunstkompetent genug, oder es gibt die Sorge vor zu hohen Kosten. Wie könnten sich Unternehmen der Herausforderung stellen, um sich intensiver mit Kunst zu beschäftigen? 

Der erste Schritt sollte immer der Gedanke der Kulturförderung sein. Die bloße Ansammlung von Kunstwerken aus welcher Interessenlage heraus auch immer, wird keinen Bestand haben. Bei Wechsel der Verantwortlichkeiten kann eine Sammlung schnell zum reinen Vermögenswert, zur lästigen Pflicht oder Altlast degradiert werden. Eine inhaltliche Identifikation mit der Kunst in sinnvollem Kontext einer Unternehmensphilosophie ist ein soziokultureller Trumpf. Für ein solches Engagement gibt es kaum Kritiker – ob von außen oder innen.

Gehören auch Unternehmenssammlungen zu Ihren Kunden? Wenn ja, welche Motivationen sehen Sie dort, sich mit Kunst zu beschäftigen?

Ja, auch Unternehmenssammlungen gehören zu unseren Kunden. Die Motivation des Sammelns ist sehr unterschiedlich und unterscheidet sich kaum von privaten Sammlungen. Oft gründet eine Sammlung auf einer Führungspersönlichkeit in einem Unternehmen. Somit wird die Art und Weise des Sammelns und Förderns wieder sehr „privat“.

Um Kunstwerke zu versichern, muss man zunächst einen Marktwert bestimmen, um davon eine Prämie, sprich den zu zahlenden Beitrag, abzuleiten. Gibt es eine Art Daumenregel für das Verhältnis von Marktwert zu Prämie?

Der Kunstwert ist ein Kunst-Wert. Da in der Regel kein sachlicher Gegenwert vorhanden ist, muss immer der Vergleich mit einem spezialisierten Markt eine Grundlage für die Festlegung eines Ersatzwertes im Schadenfall sein. Die Vereinbarung des Versicherungswertes ist keine Bestätigung für einen Marktwert oder eines Realisierungswertes bei einem möglichen Verkauf. Der Versicherungswert ist der Wert, den der Versicherer bereit ist, maximal in einem Schadenfall für eben dieses Kunstwerk zu entschädigen.

Die Höhe des Versicherungsbeitrages hängt von einer Vielzahl von Faktoren ab, sodass man hier keine generelle Aussage treffen kann. Er ist im Vergleich zu den hohen Werten und im Vergleich zu anderen Versicherungen jedoch erstaunlich günstig.

Was ist, wenn es kaum Daten zu bisherigen Verkaufs- bzw. Auktionspreisen gibt, wie bei vielen jungen Künstlern?

Dies gilt auch für junge Künstler. Im Gespräch wird geklärt, welcher tatsächliche Verlust entstehen kann, und dann legt man im Vorfeld Ersatzwerte fest. Wir haben zum Beispiel auch bereits etablierte Künstler versichert, mit denen wir vereinbart haben, dass im Falle eines Totalschadens ein neues Bild gemalt wird und er eine fixe Summe erhält. Unabhängig von einem Wert auf dem Kunstmarkt. 

Für einen Kunstbesitzer, ganz gleich ob privat oder Unternehmen, gibt es bei der Versicherung von Kunst eine Zwickmühle: Je höher die Kunst bewertet wird – was aus Gründen eines möglichen Wiederverkaufs wichtig für den Besitzer wäre – desto höher ist die zu zahlende Prämie, was ihn im Alltäglichen wiederum mehr schmerzt. Wie gehen Sie bzw. Ihre Kunden damit um?

Zwei Brötchen kosten mehr als ein Brötchen. Und ich zitiere mich selbst sinngemäß aus der vorangegangenen Frage: im Vergleich zu den hohen Werten und im Vergleich zu anderen Versicherungen ist eine Kunstversicherung erstaunlich günstig.

Die Helvetia Versicherung hat nicht nur selbst eine Sammlung, sondern hat sich in diesem Jahr etwas Besonderes ausgedacht: die künstlerische Gestaltung eines Oldtimers Alfa Romeo 1300 GT Junior. Was sind die Beweggründe, wie kam es dazu?

Unsere Klientel sammelt nicht nur Kunst, sondern auch andere schöne Dinge des Lebens. Hierzu gehören vor allem Classic Cars, die in meinem Verständnis auch Kunstwerke sind. Es ist also naheliegend, dass wir mit unserem ArtCar beide Leidenschaften unserer Kunden vereinen und in dieser Symbiose dinglich und erfahrbar gemacht haben.

Gestaltet hat das Auto der österreichische Künstler Roland Reiter. Was war sein künstlerisches Konzept und wie haben Sie das letztlich auf das Auto angebracht?

Maschinen und Traum. Diese beiden Begriffe machen das Wesen der Kunst Roland Reiters aus. Er schafft transformative Kunstwerke aus Maschinen und Träumen und weckt damit Sehnsüchte und Erinnerungen. Der Titel unseres ArtCars „Established Hippie“ fügt beide Begriffe zusammen: Wünsche und Träume. Diese sind aber wegen fehlender Mittel in dieser Zeit meist unerreichbar. Schnell ist man etabliert und opfert seine inneren Sehnsüchte dem geordneten Leben. Ist nun die finanzielle Situation geschaffen, wird der Blick auf die schönen Dinge des Lebens wieder frei. Der Geruch von Benzin, von Freiheit. Man wird zum Established Hippie ….und kauft einen Oldtimer.

Noch eine persönliche Frage zum Schluss: Welcher Künstler oder welches Kunstwerk inspiriert Sie persönlich ganz besonders?

Das wechselt stündlich. Ich besuche im Jahr zahlreiche Museen, Ausstellungen und Messen, treffe Künstler, Ausstellungsmacher und Sammler. Kunst ist mein Leben. Und es ist beruhigend zu erkennen, dass es viele Menschen gibt, die ein ähnliches „Laster“ haben.

ArtCar "Established Hippie", gestaltet von Roland Reiter

Weitere Beiträge aus unserem Magazin

Newsletter

Melden Sie sich für den add art Newsletter an und erhalten Sie regelmäßig Informationen zu unseren Veranstaltungen!

Cookie-Einstellungen

Bitte wählen Sie aus, welchen Cookie-Kategorien Sie zustimmen möchten.